Regina Zauchner schrieb in diesem Twitter-Thread über ihre Erfahrungen mit der Krankheit ME/CFS und hat mir freundlicherweise erlaubt, den Thread hierher zu übernehmen. Vielen Dank! Sie schrieb:
Dieses Foto zeigt mich mit 18 Jahren und ist vermutlich das letzte Bild, das mich als gesunden Menschen zeigt. Heute möchte ich euch meine Geschichte erzählen. Ich tu das nicht, weil ich so gerne mein Privatleben vor anderen ausbreite, sondern weil es für uns ME/CFS- und LongCovid-Betroffene sehr wichtig ist, Verbündete zu haben. Menschen, die uns helfen, die Achtsamkeit gegenüber dieser Erkrankung und die Dringlichkeit der Notwendigkeit, dass sich unsere Situation endlich verändern muss, zu verbreiten oder sich zumindest dessen bewusst zu sein.
Mit 18 Jahren erkrankte ich am Pfeifferschen Drüsenfieber und wurde nie wieder gesund. Da ich als Jugendliche sehr sportlich und mein Verlauf schleichend war, fiel mein Verfall zuerst niemandem auf außer mir und mir hat leider kaum jemand geglaubt. Ich war ja noch immer deutlich fitter als der Durchschnitt, und angesehen hat man mir das Kranksein auch lange nicht. Mit Mitte 20 mehrten sich dann zusätzlich zu den körperlichen Symptomen auch die kognitiven, sodass es für mich immer schwieriger wurde, mein Studium (Botanik) zu beenden und ich noch heute erstaunt bin, dass mir das gelungen ist. Lag wohl an meiner Willensstärke, aber das perfide bei ME/CFS und LongCovid ist, dass Willensstärke uns oft immer weiter in die Arme der Erkrankung treibt und unseren Zustand verschlechtert, etwa, weil wir nicht wahrhaben wollen, dass wir Dinge, die wir lieben und die uns früher ausgemacht haben, nicht mehr tun können, weil sie uns noch kränker machen.
Ich habe vor knapp 10 Jahren sogar noch eine Radtour von Graz nach Istanbul gemacht, und auch wenn ich diese Erfahrung nicht missen wollen würde, so war sie doch der endgültige Anfang vom Ende und die Verschlechterung meines Zustandes beschleunigte sich danach. Eine kurze Zeit lang war ich bei Expert*innen so ziemlich jeder Fachrichtung, ohne Ergebnis. Man schob es auf meine Psyche, sicherlich auch begünstigt dadurch, dass ich auch eine psychiatrische Diagnose habe (aber eben nicht nur). Einzig mein damaliger Hausarzt kam der Sache auf die Spur, konnte aber diese Ergebnisse nicht entsprechend einordnen. Er stellte bei mir eine EBV-Reaktivierung fest.
Schließlich habe ich es für viele Jahre aufgegeben, meinen Zustand gegenüber Mediziner*innen anzusprechen, da ich mit noch mehr medical gaslighting nicht umgehen konnte. Ich habe in der Zwischenzeit sogar ein Kind bekommen, immerhin dachte ich, ich sei ja „eigentlich“ gesund und müsse mich nur mehr anstrengen, um wieder fit zu werden. Ich liebe meine Tochter über alles, aber hätte ich damals gewusst, dass es für meinen Zustand keine Heilung, sondern nur fortschreitende Verschlechterung gibt und was ich ihr und mir damit zumute, ich hätte es mir wohl anders überlegt.
2021, 17 Jahre nach meiner Erkrankung, erhielt ich dank eines Neurologen auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine Diagnose: ME/CFS. Ich gehöre zu den „glücklichen“ 25 % der Betroffenen, die noch (zumindest Teilzeit) arbeitsfähig sind. Aber dieses Rest-Funktionieren kostet mich so viel Kraft, dass ich den Rest des Tages, meine gesamte Freizeit, mit großen Schmerzen in möglichst reizarmer Umgebung liegend verbringen muss. Immer in dem Wissen, dass der nächste Crash mich all meine Autonomie kosten und mich zum Pflegefall machen kann.
Ich wünsche mir so sehr, dass ME/CFS- und LongCovid-Betroffene endlich ernst genommen und behandelt werden! Ich erwarte mir gar keine Heilung, auch wenn das natürlich schön wäre. Aber ich wünsche mir Forschung, ich wünsche mir Anlaufstellen, ich wünsche mir geschultes medizinisches Personal. Ich wünsche mir, dass die Erkrankung endlich in Österreich Anerkennung auch in Form von verbindlichen Dokumenten (Behandlungsrichtlinien, Einstufungsverördnung usw.) findet, so dass ich nicht fürchten muss, mit meinem Kind vollkommen durch das Netz der Sozialpartner zu fallen, sollte ich irgendwann dauerhaft arbeitsunfähig werden. Wir haben wenig Kraft zum Kämpfen und auch wenn wir unser Bestes dafür geben, brauchen wir dafür euch (halbwegs) gesunde Menschen! Bitte helft uns, nie wieder unsichtbar zu sein. Wer bis hierher gekommen ist: danke fürs Lesen ❤️