Medizinisches Gaslighting

Oury beschrieb in einem Twitter-Thread ein Thema, von dem ich in letzter Zeit öfter gelesen habe: Medizinisches Personal, das einem einfach nicht glaubt – und was das für einen teils dauerhaften Schaden anrichten kann. Der Fachbegriff ist medical bzw. medizinisches Gaslighting.

Oury schreibt (hier nur etwas anders formatiert und Typos korrigiert):

Ich hab ja mittlerweile gute medizinische Versorgung, zumindest einen Hausarzt und einen Schmerztherapeuten, die mir beide glauben und mich unterstützen. Ich kriege wirksame Medikamente und Hilfsmittel.

Ich hab auch einen tollen Therapeuten, er ist sogar Traumatherapeut. Aber er ist wohl eher auf kPTBS spezialisiert – was gut ist, weil davon gibt es zu wenig. Und kPTBS hab ich auch. Aber mit diesem neuen Trauma scheint er irgendwie überfordert zu sein. Oder ich bring es nicht richtig rüber. Oder er nimmt mich einfach so nicht ernst.

Ich rede von dem Trauma, das davon kommt, dass ich über mehrere Jahre nicht ernst genommen wurde von Ärzt_Innen. Wenn ich ihnen von Schmerzen, Erschöpfung und anderen beunruhigenden Symptomen erzählte. Hätte ich die Community hier auf Twitter nicht gehabt, wer weiß, was passiert wäre. Die hat sich um mich gekümmert. (Vielen Dank! 💜)

Die Erfahrung lässt mich nicht los. Vielleicht liegt es daran, dass es nicht das erste Mal war?

Meine 10 auf der Schmerzskala kommt immer noch aus der Zeit, als ich diese furchtbaren Menstruationsbeschwerden hatte. Da war ich 11. Die Gynäkologin sagte, das sei normal. Meine Mutter auch. Ich hab mir 2 Wochen lang die Seele aus dem Leib geschissen, konnte kaum was bei mir behalten. Ich hab geschwitzt wie sonst was, mein Kreislauf war total down. Ich sah aus wie ein Geist wegen des Eisenmangels. Ich hab fantasiert vor Schmerzen, unkontrollierbar geschrien, bin immer wieder weggedämmert.

Und es war jedes Mal so.

Zum Glück kamen die Tage nicht regelmäßig.

Ich bekam weder Schmerzmittel noch die Pille, weil sich meine Mutter und die Ärztin einig waren, das könne man bei so einem jungen „Mädchen“ nicht machen

Ich glaube, ich bin weder darüber hinweg noch über die neuerlichen Erfahrungen.

Aber was heißt überhaupt, hinweg? Jedes Mal, wenn es mir schlechter geht, hängt sich mein Hirn daran auf. Ich erlebe Situationen wieder und wieder.

Mir wurde nicht nur die Hilfe verweigert, ich wurde auch gedemütigt und beleidigt. Mir wurde eingeredet, ich würde mir alles nur einbilden.

Ich hab mir selber nicht mehr geglaubt.

Die Angst, das könne wieder so passieren, hält mich davon ab, Hilfe zu suchen, wenn nötig. Ich versuche alleine klar zu kommen.

Das ist sicher übertrieben. Auch meinen Therapeuten hab ich so verstanden.

Ich fühlte mich so damals hilflos. Eigentlich fühle ich mich immer noch so.

Wo soll ich denn hin, mit dieser Warteschleife im Kopf? Gibt es eine Beratungsstelle für diese Art von Trauma? Ich habe noch von keiner gehört.

Es gibt Traumatherapie zur Krankheitsbewältigung. Aber wenn ich das richtig verstehe, geht’s da nicht um sowas, sondern um Krankheits- bzw. Behinderungsakzeptanz.

Dass einem in Deutschland notwendige medizinische Behandlung mehrfach von verschiedener Seite verweigert wird und das Trauma macht, darauf ist die Gesundheitsversorgung hier nicht vorbereitet. So etwas passiert doch nicht.

Fataler Fehler würde ich sagen.

Weil mit weiterer Verschärfung kapitalistischer Lebensverhältnisse, systematischer Vernachlässigung und Unterfinanzierung des Gesundheitswesens usw. wird das wohl nicht besser werden.

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